Immer mehr Schmerzmittelmissbrauch und Überdiagnosen

 

 

Lance Devo

 

Unnütze Operationen und medikamentöse Behandlungen nehmen in der heutigen Medizin in beängstigendem Ausmaß zu. Eine neue Studie von Dr. Bruce Landon von der Harvard Medical School zeigt, dass viele Ärzte Leitlinien zur Selbstbehandlung von Rückenschmerzen ignorieren
und ihren Patienten unnötige Untersuchungen und süchtig machende Schmerzmittel aufnötigen.



Für die Harvard-Studie
wurden zwei Zeitabschnitte im Abstand von zehn Jahren untersucht (1999-2000 und 2009-2010). In der Zeit zwischen den Untersuchungen war der Anteil der
Verordnung verschreibungspflichtiger narkotischer Schmerzmittel von 19,3
Prozent auf enorme 29,1 Prozent  gestiegen, während die Anwendung rezeptfreier Schmerzmittel von 36,9 auf 24,5 Prozent zurückgegangen
war. Das bedeutet eine deutliche Verschiebung – Patienten werden zur Einnahme von schwereren verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln veranlasst, weil die Ärzte immer schneller und sorgloser Rezepte ausstellen.
 In ähnlichem Maße, nämlich von 7,2 auf 11,3 Prozent, stieg der Einsatz von CT und MRT. Wurden vor zehn Jahren orthopädische Chirurgen nur in sieben Prozent der Fälle konsultiert, so stieg die Zahl der Patienten, die diese Spezialisten aufsuchten, in dieser Zeit auf das Doppelte!

Das beunruhigendste Ergebnis war der rapide Anstieg bei der Verordnung von Narkotika«, schrieb Landon in dem Harvard-Bericht. Allein im Jahr 2008 starben fast 15 000 Menschen an einer Narkotika-Überdosis. Diese Medikamente helfen offensichtlich den Patienten nicht, sondern führen stattdessen zu Abhängigkeit und vorzeitigem Tod.

Wie Landon berichtet, sei die Verordnung von Narkotika in den meisten Fällen überflüssig, Rückenschmerzen besserten sich normalerweise mit der Zeit und durch manuelle Behandlung. Seiner Ansicht nach sollten die Hausärzte in der Behandlung von Rückenschmerzen kompetenter sein. Das könne jedoch schwieriger sein als auf den ersten Blick ersichtlich, so das American College of Preventive Medicine. Weniger als 40 Prozent der Ärzte in den USA lernen während des Studiums, wie sie Medikamentenabhängigkeit und die Warnzeichen einer missbräuchlichen Medikamenteneinnahme erkennen; und schätzungsweise 40 Prozent der Hausärzte scheuen sich, mit ihren Patienten über Medikamentenmissbrauch zu sprechen.